Erfolgreich moderieren bei Events
Cristián Gálvez | Interview | Eventmoderation
Eine Veranstaltung souverän zu leiten bedeutet weit mehr als nur das gesprochene Wort – es erfordert Redegewandtheit, eine erfrischende Art und noch vieles mehr. Zu diesem Thema haben wir Cristián Gálvez befragt. Er ist ein sehr erfahrener Moderator, Keynote Speaker und Persönlichkeitstrainer.
Frage: Cristián, als Erstes: Warum ist, allgemein gesehen, eine Moderation bei einer Veranstaltung grundsätzlich notwendig?
Cristián: Ich habe lange Zeit in den USA gelebt. Dort spricht niemand vom Moderator. Die Rede ist vom Host, dem Gastgeber. Das drückt sehr gut aus, worum es bei einer professionellen Eventmoderation gehen sollte. Es geht um das Steuern von Emotionen, das darf eben nicht moderat sein.
Erst wenn sich die Protagonisten auf der Bühne und die Gäste im Publikum wirklich wohl fühlen, ist die Basis für gelingende Kommunikation geschaffen. Events sind Begegnungsräume. Eine professionelle Moderation hilft dabei, gute Begegnungen überhaupt erst zu ermöglichen.
Cristian: Eine gute Moderation kennt nur ein Ziel: Das Ziel des Veranstalters. Fachliche und inhaltliche Expertise ist die Voraussetzung. Das braucht Vorbereitung. Die Grobstruktur der Live-Moderation ist daher festgelegt. Erst das gibt die Möglichkeit, im Moment zu sein. So entstehen diese echten Augenblicke, die für alle Beteiligten Mehrwerte schaffen und unter die Haut gehen.
Cristian: In meiner Welt sind es vor allem drei „K“. Das erste „K“ steht für Kompetenz, wobei es in der Live-Kommunikation viel mehr um Kompetenzanmutung geht. Kennen die Protagonisten ihre Inhalte und schaffen sie es, diese kompetent auf den Punkt zu bringen? Das bedeutet also auch rhetorische Kompetenz.
Damit sind wir auch schon beim zweiten „K“. Hier dreht sich alles um Klarheit. Klarheit in den Botschaften und Klarheit in der Rolle. Welche Rolle erfüllt welcher Protagonist auf der Bühne und werden die Botschaften in aller Klarheit formuliert?
Dritter wichtiger Faktor ist die Kongruenz, sprich die Glaubwürdigkeit. Das zeigt sich oft an der Körpersprache. Redner die im wahrsten Sinne des Wortes bei ihren Worten einknicken oder zu viel herumlaufen, verlieren an Glaubwürdigkeit.
Wer kompetent, klar und kongruent die Bühne betritt, berührt die Menschen auf besondere Weise. All‘ das lässt sich trainieren.
Ich habe für mich selbst über die Jahre Routinen entwickelt, um gelassener auf die Bühne zu gehen. Aus unzähligen Beratungsprojekten weiß ich aber auch, dass jeder Mensch etwas anderes braucht. Das einfache Rezept gibt es leider nicht.
Cristian: Lass‘ mich zunächst einmal mit einem Mythos aufräumen. Der Körper verfügt über keine eigene Sprache. Es gibt keine Grammatik, keine Syntax, kein festgelegtes Vokabular. Der Körper schafft aber Wirkung.
Und natürlich gibt es Gesten, die eine gesprochene Botschaft untermauern. Dabei gilt es immer den natürlichen Verhaltensstil zu berücksichtigen. Jemand, der stark aus der Introversion heraus im Alltag agiert, sollte auch auf der großen Bühne die kleinen Gesten nutzen. Alles andere würde nicht kongruent wirken. Die Stimmigkeit würde verloren gehen.
In unseren Trainings achten wir zudem auf Energie und Zentrierung. Nur wer wirklich bei sich ist, wird auch andere Menschen berühren, bewegen und begeistern können. Leider sind viele auf der Bühne außer sich, mental und körperlich. Auch das lässt sich trainieren.
Frage: Welche Rolle spielt das Publikum bei deiner Moderation?
Cristián: Die wichtigste Rolle. Nur wer sein Publikum kennt, wird auch zielgruppenspezifisch kommunizieren können. In der Vorbereitung zur Moderation gibt es einen Fragebogen, um das wirkliche Publikum zu verstehen. Nur so lässt sich ein Raum für gute Begegnung schaffen.
Frage: Wie bereitest du dich persönlich auf eine Moderation vor? Gibt es bestimmte Routinen oder Übungen?
Cristián: Im ersten Schritt geht es erst einmal darum, die Branche und deren aktuelle Herausforderungen zu verstehen. Dann möchte ich das Unternehmen und die Protagonisten näher kennenlernen. Ich lasse mir gerne Fachartikel, Präsentationen und Studien zusenden. In den Briefinggesprächen geht es auch um die Zuschauenden.
Drei Fragen sind für mich entscheidend. Ich nenne sie die ABC-Fragen. A für affective, B für behavioral, C für cognitive. Wie sollen die Menschen sich fühlen? Was sollen sie verstanden haben? Wie sollen sie sich nach der Veranstaltung anders verhalten.
Für Panels werden nach Möglichkeit Vorab-Termine mit den Panelisten vereinbart. Vor Ort ist vieles Beziehungsarbeit.
Im Corporate-Bereich werden aber auch viele Gespräche gescripted. Da braucht es ein paar Übungsrunden, damit es fluffiger klingt.
Frage: Gibt es einen Unterschied in der Moderation zwischen Digital- und Live-Events?
Cristián: Kamera schluckt Energie. Hinzu kommt, dass das dreidimensionale der Eventlocation verloren geht. Es ist viel herausfordernder, ein Digitalevent herausragend zu moderieren.
Frage: Hast du einen Ratschlag für Menschen, die ihre Moderationsfähigkeiten verbessern möchten?
Cristián: Moderator oder Moderatorin ist kein geschützter Begriff. Jeder kann das machen. Viele meinen auch, dass sie es könnten. Dabei ist Moderation ein Handwerk, insbesondere im Eventbereich. Gerade in der Live-Kommunikation braucht es andere Techniken als beim Radio oder Fernsehen. Wie jedes Handwerk, lässt sich Eventmoderation lernen. Viele Unternehmen senden unterdessen ihre hausinternen Moderatoren ins Coaching. Das spiegelt sich immer im Ergebnis.
Frage: Cristián – lass uns doch bitte zum Bereich Vorträge wechseln.
Auf was sollte man sich speziell bei einem Keynote Vortrag konzentrieren bzw. fokussieren?
Cristián: Eine gute Rede braucht Struktur und Klarheit. Eine herausragende Rede braucht Struktur, Klarheit, Pathos und Persönlichkeit.
Obamas Redenschreiber haben sich bei jeder Rede eine Frage gestellt: Was kann NUR Obama zu diesem Thema auf seine Art sagen? Die Rhetoriklehrer der Antike nannten es Ethos, den guten Charakter. Am Ende macht der Mensch den Unterschied.
Viele Top-Executives lassen sich Reden schreiben oder Powerpoints erstellen, zu denen sie spürbar selbst überhaupt keinen Bezug haben. So etwas verpufft - Immer.
Im Live-Kontext wird zudem Pathos immer wichtiger. Storytelling, Humor, Kognitive Frames und Persönliches gewinnen mehr und mehr an Bedeutung. Menschen streben nach Begegnungen mit Menschen. KI kann den Lagerfeuermoment nicht ersetzen.
Frage: Wie lang sollte eine Präsentation maximal sein? Gibt es hierzu eine Grundregel?
Cristián: Nein. Gibt es nicht. Für einen großen Finanzdienstleister werde ich für Gruppen mit über 500 PAX einen ganzen Tag gebucht. Das nennt sich „Der Tag der Persönlichkeit“. Im Grunde genommen spreche ich dann von 10:00 Uhr bis 17:00 Uhr mehr oder weniger am Stück.
Aber… und das hat sich dramatisch verändert: Die Aufmerksamkeitsspanne der Zuschauenden geht mehr und mehr runter. Social Media, Netflix und andere Formate haben die Spanne deutlich reduziert. Das Durchschnittsformat bei Netflix liegt bei unter 45 Minuten. Deshalb ist grundsätzlich ein Trend zu kürzeren Formaten erkennbar. Ich werde mehr und mehr für Keynotes mit einer Länge von 30 bis 45 Minuten gebucht. Vor der Pandemie waren es gerne 90 Minuten.
Frage: Sollte man selbst die Präsentation erstellen, oder hilft es, wenn sie bereitgestellt wird?
Cristián: Ich komme noch einmal zurück auf Obama, den ich 2019 vor 14.000 Menschen interviewen durfte. Es braucht den „Download“. So nannte es das Obama-Team.
Nur wenn die AssistentInnen, RedenschreiberInnen und BeraterInnen in aller Klarheit wissen, was eine Rednerpersönlichkeit auf der Bühne sagen und verkörpern möchte, macht externe Hilfe Sinn. Anders lässt sich kein rhetorischer Treffer landen.
Frage: Was sind No-Gos in einer Präsentation – bzw. welche Fehler werden oft gemacht?
Cristián: Meine persönliche Top 5.
5. Keine klaren Botschaften, keine klaren Verhaltensziele
4. Zu viele Zahlen, Daten, Fakten – zu wenig Pathos
3. Schwache Eröffnungen – der erste Eindruck verpufft
2. Überfrachtete Powerpoints mit betreutem Lesen
1. Zu wenig im Vorfeld geübt
Ich bin oftmals sehr erschrocken, wie schlecht vorbereitet Menschen auf die Bühne kommen. Da schenken 500 Menschen einem Redner 30 Minuten Aufmerksamkeit. Das sind 250 Stunden Lebenszeit. Da könnte man sich im Vorfeld ein bisschen anstrengen. Gute RednerInnen machen das.
Frage: Zum Abschluss würden wir gerne wissen, ob es einen kleinen Tipp von Dir gibt, wie man auf der Bühne starten sollte?
Cristián: Natürlich gibt es unzählige Eröffnungstechniken aus der Welt der modernen Rhetorik, um das Publikum von Anfang an zu fesseln. Die lassen sich trainieren und verinnerlichen. Doch viel wichtiger für eine starke Eröffnung ist der Moment hinter der Bühne. Gute RednerInnen bringen sich vor ihrem Talk in einen guten Zustand, sie aktivieren Dopamin und Oxytocin, um mit Freude in gute Verbindung zu kommen. Sie machen sich bewusst, wozu sie gleich auf die Bühne gehen. Dann ist beim Aufgang für alle spürbar, ob da jemand ist, der die Menschen bewegt oder einfach nur verpufft.
Cristián, Vielen Dank für die interessanten Einblicke und Antworten.
Für weitere Informationen besucht gerne seine Website:
Cristián Gálvez schafft Wirkung® -> https://galvez.de